Vorgestellt im Interview: Trauerschmuck von Michaela Donsbach

„Die Kunden bekommen nicht unbedingt das, was sie anfangs wollten, aber das, was sie brauchen.“

Wie kann ein Schmuckstück Trauernden auf dem Weg der Heilung helfen und sie ein Leben lang durch positive Erinnerungen bereichern? Designerin und Goldschmiedin Michaela Donsbach gestaltet individuellen Trauerschmuck und hat dafür ihre ganz eigene Herangehensweise, für die sie eine enge Kundenbeziehung aufbaut. Im Gespräch mit „Mein letzter Koffer“ erzählt sie von ihrem Werdegang, ihrem Konzept des emotionalen Schmucks und wie sie ihre Kunden in den Mittelpunkt des kreativen Prozesses stellt. Es erwarten Dich viele authentische Einblicke, neue Perspektiven und Überlegungen zum Thema moderner Trauerschmuck.

Der Weg hin zum emotionalen Schmuck

Um zu verstehen, aus welchem Antrieb heraus Michaela Donsbach Schmuck designt und wie sie dabei ihre Kunden mit viel Feingefühl einbezieht, lohnt sich der Blick auf ihren Werdegang. Am Anfang unseres Gesprächs schildert sie mir ausführlich ihren Start ins Berufsleben und wie unter anderem die Corona-Pandemie alles verändert hat. Bereits während ihrer Ausbildung zur Goldschmiedin an der Staatlichen Zeichenakademie in Hanau und später beim Studium Angewandter Kunst und Designs in Düsseldorf wurde ihr ein ganz bestimmtes Bild ihres Berufszweigs vermittelt. Sie berichtet vom Drang zur Selbstverwirklichung, der Künstlermentalität und dem Leitbild des „einsamen Adlers“, der seine Stücke entwirft und Leute sucht, die diese zu schätzen wissen. Michaela baute sich ihre Existenz mit ihrem eigenen Schmuck und einem „Bread-and-Butter-Job“ auf, der für ein stabiles Einkommen sorgte.

Doch mit den Corona-Einschränkungen bröckelte die Auftragslage des Brötchenjobs. Drei der vier Untermieter, mit denen sich Michaela ihr Düsseldorfer Atelier teilte, zogen zeitgleich aus. In dieser Phase führten Existenzängste bei ihr zu Grundsatzfragen: „Was mache ich hier und warum?“, „Wer bin ich?“ und „Was ist der Mehrwert meiner Arbeit?“ Ein wertvoller Prozess, wie sich herausstellen sollte.

© Michaela Donsbach

Michaela Donsbach: „Ich zog mich an Wochenenden bewusst aus dem Alltag heraus, um zu reflektieren. Dabei stellte ich fest, dass ich überhaupt nicht der einsame Adler bin, der alles allein machen will. Vielmehr erkannte ich mich selbst als empathischen und sensiblen Menschen. Mir wurde klar, dass ich mich immer verbogen hatte, anstatt zu akzeptieren, wer ich wirklich bin.“

Ihre konservative Familie unterstützte Michaelas kreative Ambitionen zwar, verstand sie jedoch häufig nicht. Generell war sie ihnen zu emotional und extrovertiert. Genau diese Emotionalität sieht sie jetzt als ihre große Stärke. Es geht Michaela um Sichtbarkeit, darum, dass ihre Kunden mit ihren Bedürfnissen gesehen werden, aber auch sie selbst mit ihren Ecken und Kanten.

Dass sie sich aufrichtig für andere Menschen interessiert, ist ein Schlüssel für die Gestaltung von emotionalen Schmuckstücken, die ihre Kunden ein Leben lang begleiten sollen.

„Dieses Bedürfnis, ehrlich und authentisch zu sein, prägt mich bis heute und gibt meinem Tun einen tiefen Sinn“, sagt sie.

Was ist emotionaler Schmuck?

Michaela Donsbach: „Das Prinzip Sichtbarkeit wende ich nun auf Schmuck an. Schmuck ist per se bereits eine emotionale Ausdrucksform und ein Vehikel, um persönliche Erfolge zu feiern und bedeutungsvolle Momente festzuhalten. Er kann Emotionen vermitteln, die vielleicht schwer auszusprechen sind. Wenn jemand zu mir kommt, um ein Geschenk zu gestalten, interessiert mich besonders die Beziehung zwischen der Person, die schenkt und demjenigen, der beschenkt wird. Ich stelle viele Fragen, um herauszufinden, welche Botschaft der Schmuck transportieren soll. Es ist wie eine ‚emotionale Übersetzung‘. Dafür arbeite ich sehr eng mit meinen Kunden zusammen.“

Erinnerungsschmuck an ein verstorbenes Pferd, mit einem einzelnen Pferdehaar © Michaela Donsbach

Michaela schildert, wie dieser Prozess mit einem ersten Gespräch beginnt, in dem es um die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Kunden geht. Dieses Gespräch dauert ein bis zwei Stunden, je nachdem, wie klar die Kunden ihre Vorstellungen bereits formulieren. Es können schon erste Ideen und Ansätze entstehen. Manchen gibt die Schmuckdesignerin „Hausaufgaben“ mit, damit sie sich weitere Gedanken machen und konkreter werden.

Sollte es so gar nicht passen zwischen Kunde und Designerin, verweist sie an einen qualifizierten Kollegen, damit niemand mit leeren Händen nachhause geht.

In der Entwicklungsphase präsentiert sie den Kunden in der Regel drei Vorschläge: einer ist etwas einfacher als besprochen, einer entspricht genau den Vorstellungen und der dritte geht darüber hinaus. Für die Erstellung sollte man insgesamt mit drei bis neun Monaten rechnen. Manchmal sei es nämlich wichtig, dass das Projekt auch einmal ruhe, damit die Kunden sich ihre Gedanken darüber machen können.

Michaela Donsbach: „Diese Herangehens- und Arbeitsweise führt zu engen Kundenbeziehungen. Umso ehrlicher und offener meine Kunden sind, desto besser kann ich ihre Vorstellungen und Emotionen in das Schmuckstück einfließen lassen. Ich habe bisher keinen Kollegen gefunden, der genau so arbeitet wie ich. Das liegt wahrscheinlich daran, dass dieser Ansatz sehr zeitintensiv und arbeitsaufwendig ist.

Ich habe dabei nicht den Anspruch, alles selbst machen zu müssen, obwohl ich eine ziemlich gute Goldschmiedin bin und viele Techniken beherrsche. Es ist entscheidend, zu erkennen, was der Kunde braucht und welche Materialien und Techniken am besten für die Umsetzung geeignet sind. Manchmal arbeite ich deshalb mit hochspezialisierten Kollegen zusammen. Dann werde ich zur Projektmanagerin und hole diese talentierten Leute ins Boot, um etwas Einzigartiges für den Kunden zu schaffen. Es kommt vor, dass wir völlig neue Formen, Muster oder Reliefs entwickeln. Es kann sehr abstrakt werden, aber das Wichtigste ist, dass es für den Kunden ein bedeutungsvolles Symbol wird. Deshalb sehen meine Stücke alle unterschiedlich aus.“

Wie hast Du Dich dem Thema Trauerschmuck genähert?

Für Michaela Donsbach gehört es ebenfalls zu ihrer Berufung, die Kunden bei schwierigen Emotionen zu unterstützen, wie der Trauer. Ihre eigene Erfahrung mit dem Tod ihrer Mutter 2017 verdeutlichte ihr, wie wichtig es in diesen Zeiten ist, gut auf sich selbst aufzupassen, um nicht zu zerbrechen.

Michaela Donsbach: „Ich habe mich intensiv mit Trauerschmuck auseinandergesetzt und mir angesehen, wie andere das umsetzen. Viele kennen zum Beispiel aus Asche gepresste Diamanten oder Schmuck mit Fingerabdrücken. Doch ich finde, dass diese Ansätze oft eine unreflektierte Art der Erinnerung darstellen. Arbeite ich mit Kunden, geht es immer um Verarbeitung und Entwicklung. Schmuck dient dabei als Erinnerungsstück für die positiven Aspekte bzw. als Anker für wunderschöne Momente. Das kann alles Mögliche sein, sogar ein Geruch nach dem Apfelkuchen der Oma oder einem Sommergewitter. Es soll in Dankbarkeit und Wertschätzung zurückgeblickt werden. Umso tiefer die Trauer geht, desto mehr hat man durch den Verstorbenen im Leben geschenkt bekommen.

Ich visualisiere Emotionen und Erinnerungen. Dadurch begleite ich Menschen in ihrer Trauer und helfe ihnen, etwas Neues und Bedeutungsvolles aus ihren Erfahrungen zu kreieren. Ich schaffe einen Mehrwert für meine Kundinnen und das ist sehr erfüllend für mich.“

Welche Idee steckt hinter dem Taris-Ring?

Der Taris-Ring ist ein Erinnerungsschmuckstück, das von Michaela individuell auf Anfrage gefertigt wird. Kunden können ihn beispielsweise durch die Wahl des Materials und eine persönliche Gravur individualisieren.

Der Taris-Ring mit individueller Gravur © Michaela Donsbach

Michaela Donsbach: „Trauer ist unglaublich komplex und individuell. Dennoch will ich ein niedrigschwelliges Produkt im Bereich Trauerschmuck bieten. Dabei geht es weniger um schöne Erinnerungen, sondern um die Frage: ‚Was brauche ich?‘

Sobald ein Todesfall in der Familie oder im nahen Umfeld eintritt, funktionieren viele Menschen erst einmal und arbeiten eine lange To-Do-Liste ab. Der Blick auf sich selbst bleibt dabei oft auf der Strecke. Manchmal wird die eigene Trauer kleingeredet oder es werden Vergleiche zu anderen angestellt. Unser Gehirn hat nur einen Wunsch für uns: das Überleben. In Stresssituationen verfällt es in altbewährte Muster. Genau dann ist es wichtig, sich bewusst zu besinnen, was man wirklich braucht.

Schmuck – wie eine Kette oder Ringe und Handschmeichler – können dabei eine große Hilfe sein, weil man ihn stets bei sich trägt und ihn fühlen kann – als physischer Anker für emotionale Heilung.“

Kannst Du uns Beispiele nennen für die Erstellung von individuellem Trauerschmuck?

Meist setzt Michaela mit der Entwicklung des Trauerschmucks erst an, wenn die Betroffenen akzeptiert haben, was passiert ist und bereit sind für einen Prozess der Weiterentwicklung. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel.

Michaela Donsbach: „Aktuell begleite ich zwei Frauen bei der Gestaltung von Schmuckstücken, die beide relativ frisch trauern. In anderen Fällen würde ich empfehlen, die Arbeit daran etwas zu schieben oder ich arbeite mit noch mehr Fingerspitzengefühl.

Eine meiner Kundinnen hat ihre Mutter verloren, mit der sie sehr eng verbunden war. Als sie zu mir kam, lag der Tod erst sechs Wochen zurück und sie befand sich in einer Trauerbegleitung.

Das erste Gespräch war emotional und tränenreich. Ich wollte herausarbeiten, was diese innige Beziehung so besonders machte. Sie beschrieb, dass sie immer das Gefühl hatte, bedingungslos geliebt und unterstützt zu werden. Als ihre Mutter schwer krank wurde, sorgte die Tochter dafür, dass ihre Mutter so lange wie möglich selbstständig bleiben konnte. Diese gegenseitige Fürsorge war die Kernidee für den Anhänger, den wir momentan entwickeln. Ein kleiner Teil der Asche ihrer Mutter wird in einen Stein gepresst. Wir haben in diesem Zusammenhang bewusst von einem ‚neuen Zuhause‘ für ihre Mama gesprochen, denn dieser Stein wird von zwei stilisierten Händen gehalten – fest genug, um Halt zu geben, aber auch frei genug, um Raum zu lassen.“

Trauerschmuck zum Thema Gehalten werden © Michaela Donsbach

Michaela zeigt den 3D-Entwurf des Anhängers und berichtet dabei, wie wichtig es ihr ist, nicht nur die Emotionen zu visualisieren, sondern gleichzeitig den Geschmack der Kunden zu treffen. Darüber hinaus müssten die Schmuckstücke robust und reparierbar sein, da sie geht davon aus, dass die Menschen sie häufig und lange tragen.

Michaela Donsbach: „Eine andere Kundin kam zu mir, nachdem ihr Vater verstorben war. Anfangs wollte sie nur seinen alten Ehering umarbeiten lassen. Meine direkten und persönlichen Fragen überforderten sie zunächst.

Bei mir darf man alles sagen, ohne verurteilt zu werden. Ich möchte die Menschen davon befreien, eine Fassade aufrecht erhalten zu müssen. Das fällt nicht allen leicht. Ich bediene mich verschiedener Gesprächstechniken – oft geht es mit Humor. Außerdem habe ich Mimik-Seminare besucht, damit ich auch auf das Unausgesprochene reagieren kann. Um Vertrauen aufzubauen, erzählte ich dieser Kundin von meinen eigenen Erfahrungen mit Trauer und meiner Mutter, die ein Alkoholproblem hatte. Das half ihr, sich zu öffnen und sie schilderte mir die schwierige Beziehung zu ihrem Vater, die von seiner Alkoholsucht belastet war.“

Trauerschmuck der Verzeihen und Akzeptanz symbolisiert © Michaela Donsbach

Trotz der Spannungen gab es positive Aspekte in dieser Vater-Tochter-Beziehung. Das wollte die Schmuckdesignerin aufgreifen. Inspiriert von der japanischen Handwerkskunst Kintsugi, bei der zerbrochene Gegenstände aus Keramik mit Gold repariert werden, entwickelte sie einen Ring. Der ursprüngliche Ehering wird durch einen neuen Ring ergänzt, der Risse aufweist, die mit Gold gefüllt sind. Dadurch werden die Motive der Heilung und des Zusammenwachsens symbolisiert.

„Die Kunden bekommen nicht unbedingt das, was sie anfangs wollten, aber das, was sie brauchen“, sagt Michaela.

Und wie sieht das Feedback Deiner Kunden aus?

Michaela Donsbach: „Meist kriege ich schon in den ersten Gesprächen positive Rückmeldungen. Die Kunden fühlen sich gesehen und verstanden, was genau meine Intention ist. Dieses Gefühl wird mir direkt zurückgespiegelt, besonders bei den Trauerkunden. Viele meinen: ‚Darüber brauche ich gar nicht mehr schlafen, das machen wir so.‘

Solche Reaktionen sind für mich das größte Lob. Sie zeigen mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin und meine Arbeit wirklich einen Unterschied macht. In unserer Welt, die so stark von Social Media beeinflusst ist, scheint nur noch wichtig zu sein, wie man nach außen wirkt. Empathie ist ein rares Gut und es ist wie ein Kleinod, wenn jemand authentisch sein kann. Gerade in der Arbeit mit Trauerschmuck merke ich daher, dass die Qualitäten, die ich als Mensch habe, eben nicht nutzlos, sondern sehr sinnstiftend sind.“

Warum ist es Dir wichtig, dass Dein Trauerschmuck eher diskret ist?

Michaela Donsbach: „Während meiner eigenen Trauerzeit habe ich festgestellt, dass es oft ein Bedürfnis gibt, über den Verlust zu sprechen. Nicht unbedingt, um gute Ratschläge zu erhalten. Vielmehr möchten sie das Erlebte teilen und verarbeiten. Ein klassisches ‚Conversation Piece‘ im Schmuckdesign ist ein Stück, das durch seine spezielle Gestaltung direkt ins Auge fällt und neugierig macht. Menschen, die solchen Schmuck tragen werden darauf angesprochen.

In Sachen Trauerschmuck habe ich herausgefunden, dass Menschen die Möglichkeit haben möchten, über solche Themen zu sprechen, aber nicht mit jedem und nicht zu jeder Zeit. Deshalb soll mein Trauerschmuck alles nach außen aussagen, nur nicht ‚es ist Trauerschmuck‘. Ich möchte meinen Kunden die Freiheit geben, selbst zu entscheiden, wann und wie viel sie von sich offenbaren.

Ein Beispiel ist ein Anhänger, der auf den ersten Blick wie ein gewöhnliches Schmuckstück wirkt und trotzdem eine tiefere Bedeutung hat, wie ein Medaillon, das man öffnet und schließt. Wird jemand auf das Schmuckstück angesprochen, kann er entweder sagen: ‚Danke, ich habe es mir anfertigen lassen und mir gefällt es auch sehr gut‘ oder sich öffnen und erzählen, warum dieses Stück so besonders ist.“

Was kostet individuell erstellter Trauerschmuck bei Dir?

Michaela Donsbach: „Im ersten Gespräch werfe ich oft schon eine Zahl in den Raum, um zu klären, was die Kunden zu zahlen bereit sind. Der Preisbereich für die Erstellung eines Armbands, Rings oder Anhängers beginnt meist bei 2.000 bis 5.000 Euro. Diese Stücke sind nicht für eine Saison oder ein Event gedacht, sondern für ein ganzes Leben und sogar darüber hinaus, zum Vererben.

Wenn das Design steht, kann ich einschätzen, was das Schmuckstück letztendlich kosten wird. Schreibe ich den Kostenvoranschlag, müssen die Kunden eine Entscheidung treffen. 80 bis 90 Prozent meiner Kunden gehen sofort in die Umsetzung. Es gibt nur wenige, die abspringen und einige, die den Prozess verschieben, weil es doch teurer wird, als erwartet. Aber auch diese kommen in der Regel wieder, nach ein bis zwei Jahren, sobald sie die Mittel angespart haben.“

Nehmen Dich die Geschichten rund um den Trauerschmuck persönlich mit?

Michaela Donsbach: „Es kommt schon vor, dass ich eine Träne verdrücke und das ist völlig in Ordnung. Es geht bei meiner Arbeit um Empathie und Authentizität. Natürlich werde ich nicht in Tränen ausbrechen und meine Kunden damit überfordern, aber das Mitfühlen ist immer da. Wenn Menschen über ihren Schmerz sprechen, wird mir bewusst, dass sie ein tolles Geschenk hatten – eine intensive Beziehung zu einem Menschen. Das kann ihnen niemand mehr nehmen. Ich sehe Wertschätzung und Dankbarkeit und deshalb freue ich mich für die Kunden in erster Linie.“

Wir danken Michaela Donsbach ganz herzlich für dieses ausführliche Gespräch mit so vielen spannenden Aspekten und authentischen Einsichten.

Wenn Dich das Thema Trauerschmuck interessiert, schaue Dir auch unseren Artikel über die Tradition des Trauerschmucks an.