„Menschen im Moment des Verlusts etwas Außergewöhnliches schenken zu können, ist etwas ganz Besonderes.“
Was würdest Du von einem Bestattungsunternehmen erwarten, das „Ab unter die Erde“ heißt? Genau: eine unkonventionelle Herangehensweise und kreative Visionen für die Trauer- und Bestattungskultur. Die Gründer und Bestatter Maria Kauffmann und Robert Freitag standen uns für ein zweiteiliges Interview Rede und Antwort. Wenn sie mit viel Leidenschaft über ihre Arbeit berichten, wird schnell klar, wie „Ab unter die Erde“ die traditionelle Bestattungsbranche mit ihren Abschiedspartys herausfordert und wie sie Menschen in schwierigen Zeiten maximale Freiheit bieten. Erfahre mehr über ihre Beweggründe und wie sie die Angehörigen inmitten von Trauer und Abschied unterstützen und ganz individuelle Rituale schaffen.
Mirjam Blake (Mein letzter Koffer): Euer Unternehmen heißt „Ab unter die Erde“ und schon ein Blick auf eure Webseite verrät, dass ihr euer ganz eigenes Ding macht. Nennt ihr euch trotzdem Bestatter und wie sieht eure Mission aus?
Maria Kauffmann (Ab unter die Erde): Wir bezeichnen uns zu 100 Prozent als Bestatter und gleichzeitig zu 100 Prozent als Abschiedsbegleiter. Mein Lieblingswort ist „Bestatter plus“ oder „Bestatterin plus“, denn das trifft es am ehesten. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, dass wir Menschen in einer beschissenen Situation das Maximum an Freiheit und Begleitung geben. Der Tod ist nicht verhandelbar und dadurch werden wir machtlos. Menschen trotzdem Zeit zu verschaffen und eine Illusion der Kontrolle und Macht, das ist unsere wichtigste Aufgabe.
Robert Freitag (Ab unter die Erde): Die Bezeichnung Bestatter ist als Begriff nötig, damit die Menschen wissen, dass wir genau das tun, was Bestatter auch tun. Wir planen nicht nur Partys und machen alles schön bunt, unsere Leistung umfasst das ganze Handwerk. Wir übernehmen den Verwaltungsakt und alles, was bürokratisch zu tun ist. Außerdem sind wir für die Versorgung der Verstorbenen zuständig.
Hinter dem „plus“ steckt noch mehr: Es geht euch ebenso um Aufklärungsarbeit. Dafür geht ihr sogar in Kitas. Ihr regt mit eurer Arbeit dazu an, die Bestattungskultur zu hinterfragen und neu zu denken. Warum macht ihr so viel anders als der Großteil der deutschen Bestatter?
Maria: Aus dem tiefen Wunsch heraus, es für seine Angehörigen anders haben zu wollen. Die Krankheit und der Tod meines Vaters waren die ausschlaggebenden Punkte, um mich mit der Bestattungsbranche zu beschäftigen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mein Vater klassisch bestattet wird. Dieser wunderbare, liebevolle Mann sollte nicht von trockenen Menschen unter die Erde gebracht werden. Zum anderen kam der Tod meines Neffen im Alter von gerade einmal 36 Jahren dazu. Da dachten wir, dass wir die Möglichkeit haben wollen, etwas zu verändern. Der tiefe Wunsch, es für sich selbst anders zu haben, steckt ebenfalls mit drin. Im Endeffekt ist „Ab unter die Erde“ also auch ein kleines Stück weit ein egoistisches Projekt.
Robert: Es ist das Schlimmste, wenn man als Kunde einen Wunsch hat, der nicht der Norm entspricht und dann hört: Nein, das geht nicht. Wenn das Gegenüber will, findet sich eine Lösung. Viele Dienstleister wollen allerdings nicht.
Wenn wir unser Geschichtenbuch aufklappen, zeigen wir, was wir schon alles gemacht haben, wie Beispiele für Abschiedsrituale. Die Menschen merken dann erst, was sie alles wollen dürfen. Dadurch kommen sie auf ihre eigenen Ideen. Wir schauen, wie wir es hinkriegen und machen uns an die Realisierung.
Warum meint ihr, dass es bei einigen Bestattern nur nach Schema F abläuft?
Maria: Das hat viele Ursachen. Zuerst einmal die Tradition – nach dem Motto: „Das haben wir noch nie so gemacht, das dürfen wir nicht.“ Dazu kommt die kirchliche Prägung. Obwohl ich selbst Christin bin, bestatten wir Menschen jeder Religion. Am Ende steht für mich immer nur die Liebe zum Menschen bzw. zu jedem Lebewesen im Vordergrund, ich mache keinen Unterschied. An mich haben sich auch schon Menschen gewendet, die gemeinsam mit einem Haustier bestattet werden wollen, weil das ihre Partner im Leben sind.
Ich glaube, dass es in der Branche so etwas gibt wie die Angst vor einem schlechten Ruf. Wir haben mit „Ab unter die Erde“ einen Namen gewählt, der absichtlich polarisiert und provoziert. Unter diesem Namen können wir alles machen, ohne dass wir unseren Ruf versauen.
Es gibt inzwischen in ganz Deutschland unglaublich viele tolle Bestatter, nicht nur Quereinsteiger, sondern auch Leute, die das Unternehmen ihrer Eltern übernommen haben und wirklich etwas anders machen wollen. Wir sehen schon Veränderung. Aber es ist unglaublich schwer auszubrechen, wenn man einige Jahre traditionell gearbeitet hat.
Robert: Wir haben nicht die Fesseln des Angestelltendaseins. Wir halten für alles den Kopf hin. Das hat Vor- und Nachteile. Ich muss niemanden fragen, ich kann es einfach machen, während der normalangestellte Bestatter einen festen Katalog mit Leistungen hat. Er sucht daraus die passendste Lösung für den jeweiligen Kunden. Wir hingegen versuchen, die Menschen kennenzulernen: Was macht sie aus? Was ist ihnen wichtig? Auf diesem Weg finden wir mit Hilfe unseres Erfahrungskatalogs das Passendste. Bei uns heißt es nicht: Wir haben Särge aus alter Kiefer und Lärche und einen davon muss ich verkaufen.
Natürlich sind einige Prozesse festgeschrieben, aber dabei geht es um den bürokratischen Teil.
Maria: Ich hatte letztens einen Anruf von einer Frau, deren Angehörige im Sterben lag. Sie selbst war gerade unterwegs und verzweifelt: „Ich weiß gar nicht, was ich machen soll, weil alles nicht so funktioniert.“ Gemeinsam haben wir einen spektakulären Plan entwickelt. Am Ende des Telefonates meinte sie: „Ich habe nicht erwartet, dass ich dich anrufe und ich nach 15 Minuten ungefähr vier Mal hören würde, dass alles klappen wird und ich mir keine Sorgen machen muss. Es kam kein einziges Mal: Du meine Güte, wie kriegen wir das hin?“
Wir wollen jede Herausforderung annehmen. Vor kurzem hatten wir einen Kunden, der innerhalb von 14 Tagen eine 150-Personen-Bestattung organisiert haben wollte, die so groß war wie eine Hochzeit – auch in Sachen Budget. Für so ein Event planen Leute sonst ein ganzes Jahr lang.
Robert: Letztendlich hat es 40.000 Euro gekostet.
Maria: Und es hat funktioniert. Schon beim Reinkommen war jeder geflasht. Beim Gehen haben alle gesagt, dass sie so eine Art von Bestattung und des Abschiednehmens noch nie erlebt hätten. Davon zehren wir.
Ich habe vor einiger Zeit mit einer Frau telefoniert, deren Mann verstorben ist. Sie hat mir das ganze Drama erzählt und mir fiel nichts anderes ein, als ihr zu sagen: „Es ist so schrecklich, was du erlebt hast in den letzten Wochen.“ Dann habe ich ihr berichtet, was wir umsetzen können. Am nächsten Tag kam sie zu uns und meinte nur: „Maria, seit unserem Telefonat und seit ich weiß, was in Sachen Bestattung möglich ist, geht es mir 100 Prozent besser.“ Wenn es das ist, was ich schaffen kann, Menschen in so einer beschissenen Situation, in der sie Herzensmenschen gehen lassen müssen, dazu zu bringen, so zu denken, dann ist es alles wert.
Robert: Wir versuchen, möglichst wenig Probleme aufkommen zu lassen. Natürlich geht nicht immer alles glatt, aber wir kümmern uns darum, wenn ein Problem auftaucht. Unsere Kunden müssen mit dem Verlust klarkommen, das reicht. Sie müssen nicht alles im Hintergrund mitkriegen, was eventuell schwierig ist.
Für die 150-Personen-Bestattung gab es den Wunsch nach 150 rosa Pfingstrosen. Das war zu einer Jahreszeit, in der diese Blumen eigentlich nicht zu haben sind. Selbst die Blumenfrau sagte: „Dann muss er mit etwas anderem leben.“ Aber ich meinte, auf gar keinen Fall. Irgendwie kriegen wir es hin und wenn ich die Pfingstrosen in einer Woche selbst züchte oder zum Großmarkt fahre. Man kriegt das Problem gelöst, wenn man einen absoluten Willen hat und eine Lösung sucht.
Maria: Wenn uns jemand sagt, dass etwas nicht funktioniert, ist unser Ehrgeiz geweckt. Menschen im Moment des Verlusts etwas Außergewöhnliches schenken zu können, ist etwas ganz Besonderes.
Gab es auch Wünsche, die ihr als Bestatter nicht möglich machen konntet?
Robert: Wir hatten einmal die Verabschiedung von einem Sternenkind. Bei der Familie kam erst relativ spät der Wunsch auf, das Kind noch einmal zu sehen. Wir versuchen, uns immer am toten Körper zu verabschieden, aber in diesem Fall wäre der Anblick für die Familie eher traumatisierend gewesen, weil der Prozess schon so weit vorangeschritten war. Wir haben deshalb einen Kompromiss gefunden und Abdrücke vom Kind genommen, soweit es ging. Das ist etwas, woran ich gescheitert bin.
Maria: Wir haben das Kind gemeinsam aus der Pathologie abgeholt. Selbst ich musste kurz schlucken. Bei uns vor Ort haben wir mit dem Kind trotzdem viele Stunden verbracht, es in ein neues Tuch gehüllt, zusammen mit dem Bruder und den Eltern einen kleinen Sarg gebaut. Es kam so weit, dass der Bruder wenigstens ein Bild sehen konnte von seinem Geschwisterchen.
Anschließend sind wir zusammen ins Krematorium gefahren und haben ihn ins Feuer begleitet. Der Bruder hat gefragt: „Kommt er jetzt auf der anderen Seite wieder raus?“ Ich habe ihm erklärt, dass das ein bisschen dauert und dass ich den Rest, der wieder rauskommt, mit zu mir nehme, bis wir uns auf dem Friedhof treffen. Und der kleine Mann sieht mich an und sagt: „Das ist gut, da ist er sicher.“ Das sind Momente, die kann man nicht aufwiegen.
Eventuell sind einige Trauernde aufgrund des Verlustes gefühlsmäßig so in Beschlag genommen, dass sie gar nicht wirklich außerhalb der traditionellen Grenzen denken können, oder?
Robert: Ein Punkt dazu: Nicht alle kommen mit einer konkreten Vorstellung zu uns. Und wenn sie eine haben, wird diese sogar komplett über Bord geworfen, wenn die Kunden erfahren, was sie alles tun können. Das Zweite ist, dass wir den Menschen ein Maximum an Zeit geben, um Entscheidungen zu treffen und das Maximum an Informationen für die jeweilige Entscheidung.
Mein Großvater ist das beste Negativ-Beispiel: Als er gestorben ist, gab es uns noch nicht. Ein anderer Bestatter hat ihn abgeholt. Eine Stunde später saß der bei uns am Tisch, hat den Katalog aufgemacht und gefragt: „Welche Urne wollen Sie denn?“ Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn die erste Frage wäre: Soll der Verstorbene abgeholt werden oder brauchen die Angehörigen noch Zeit, um sich zuhause zu verabschieden? Ist der Verstorbenen noch in der Gerichtsmedizin, geht das erst im Nachgang – aber auch das ist möglich: den Verstorbenen nach dem Krankenhaus nach Hause zu holen.
Nach der Abholung wird entschieden, ob eine Einäscherung oder eine Erdbestattung stattfinden soll. Je nachdem gibt es unterschiedliche, zeitliche Fristen. Teilweise stehen die Urnen mit den Überresten bei uns vier Monate. Die Angehörigen haben alle Zeit der Welt, um eine Form des Abschieds zu finden, die sich für sie gut anfühlt.
Maria: Im Erstgespräch müssen sich Kunden bei uns für gar nichts entscheiden, weder für eine Urne noch für einen Sarg. Sie können gehen und sogar erst am nächsten Tag die Vollmacht schicken, damit wir den Verstorbenen abholen dürfen. Wenn die Entscheidung gefallen ist für Erdbestattung oder Einäscherung, sehen wir weiter. Ob wir auf dem Friedhof oder irgendwo anders eine Abschiedsparty machen, ob derjenige auf dem Friedhof bestattet wird, ob wir ihn verstreuen oder was mit der Asche passiert – das sind alles Dinge, für die wir Zeit haben.
Und wie sind die Fristen bei der Erdbestattung?
Maria: Das ist je nach Bundesland unterschiedlich, die Zeit liegt zwischen vier und 14 Tagen. Allerdings gibt es überall auch Ausnahmeregelungen – gerade bei Situationen wie einer Beschlagnahmung des Körpers wegen ungeklärter Todesursache oder bei einem plötzlichen Tod.
Letztens hatten wir einen Mann, der im Mai verstorben ist und verbrannt wurde. Anfang Juli haben wir eine große Abschiedsfeier mit seiner Familie veranstaltet. Jetzt am Donnerstag [Anmerkung Red. Mitte November] gehen wir erst auf den Friedhof.
Robert: Kein Bestattungsunternehmen würde einfach bestatten, wenn sich Angehörige beispielsweise nicht auf einen Termin einigen können. Das würde sonst in jeder Zeitung stehen.
Bei mir hat sich der Eindruck festgesetzt, dass bei einer Bestattung alles möglichst schnell abzulaufen hat.
Maria: Das Problem ist, dass einige Bestatter möglichst schnell die Fälle abwickeln und an ihr Geld wollen. Das ist unglaublich frustrierend. Obwohl ich verstehen kann, dass es an mancher Stelle etwas mit der Liquidität des Unternehmens zu tun hat – aber nicht bei großen Bestattern. In solchen Fällen machen wir eine Zwischenrechnung. Wenn die Abschiedsparty beispielsweise erst vier Monate später stattfindet, rechnen wir sie einzeln ab. Es ist eine Frage der Kommunikation. Tabu-Themen, Elefanten im Raum, sprechen wir direkt an. Wenn das Gegenüber das Gefühl hat, dass man gemeinsam an etwas Gutem arbeitet, sind solche finanziellen Fragen nicht unangenehm.
Werden Bestattung und Abschiedsfeier tendenziell zusammenabgehalten, eher auf dem Friedhof oder woanders?
Maria: Das ist ganz unterschiedlich. Etwa 30 Prozent der Abschiedsfeiern spielen sich auf dem Friedhof ab. Allerdings nicht ganz klassisch, weil wir fast immer draußen sind. Außerdem verbringen wir zwei bis drei Stunden auf dem Friedhof und haben ganz oft Essen und Trinken dabei. Wir dekorieren alles und machen viele Abschiedsrituale. Jeder Anwesende bekommt zum Beispiel die Urne in die Hand, um sich aktiv zu verabschieden.
Kapellen nutzen wir selten, weil es dort ein straffes Zeitfenster gibt. Und jeder, der schon einmal jemanden verloren hat, weiß, dass geschlossene Räume das bedrückende Gefühl verstärken können. Dementsprechend gehen wir gern raus – auch wetterunabhängig. Mit einem warmen Getränk in der Hand funktioniert es fast immer, dass die Leute ohne Weiteres noch eine Weile am Grab bleiben, weil sie merken, dass sie dort atmen können.
Wir hatten auch Fälle, bei denen die Abschiedsfeiern stattgefunden haben und die Bestattungen erst später durchgeführt wurden. Die eine oder andere Urne geben wir den Angehörigen mit für die Beisetzung im Ausland.
Zum Thema außergewöhnliche Formen der Bestattung: Was ist eine Tattoo-Bestattung?
Maria: Der Tattoo-Bestattung geht in der Regel eine normale Feuerbestattung voraus. Anstatt der Asche aus dem Krematorium kann man Asche auch aus Haaren gewinnen oder aus alten Briefen. Diese Asche wird dann verschickt, aufbereitet und in Tattoo-Farbe eingearbeitet. Damit lässt man sich die geliebten Menschen unter die Haut stechen.
Die Aufbereitung findet nicht in Deutschland statt, obwohl es der eine oder andere hier gern legalisieren lassen würde. Wir arbeiten mit Anbietern aus Großbritannien zusammen. Aber mit deutschen Tätowierern haben wir für die Umsetzung gar keine Probleme.
Bringt ihr als Bestatter solche ungewöhnlichen Optionen im Gespräch aktiv ein?
Maria: Ja, dadurch, dass wir mehrere Gespräche führen und im ständigen Austausch stehen, geben wir viele Anregungen. Wir eröffnen einen Chat über einen Messenger wie WhatsApp für alle Menschen, die eng an der Bestattung beteiligt sind und die Informationen erhalten dürfen. Dort berichten wir über alles, beispielsweise wann der Verstorbene abgeholt wurde, wann er verbrannt wird etc. So herrscht Transparenz.
Robert: Grundsätzlich haben wir keine Angst vor einem „Nein“. Wir machen Angebote, wenn wir denken, es könnte passen. Die Menschen merken bei uns schnell, dass sie nichts müssen. Ich formuliere es oft so: „Ich wollte dir das nur sagen, kann sein, dass das gar nichts für dich ist, aber es brannte mir auf der Zunge.“
Maria: Einmal wurden wir von der Familie eines kleinen verstorbenen Jungen angerufen. Wir haben vorgeschlagen, einen 3D-Abdruck von den Fingern oder dem Gesicht zu nehmen. Die Mutter war vehement dagegen. Wir haben trotzdem alles mitgenommen, weil wir oft die Erfahrung machen, dass die Menschen sich umentscheiden. Vor Ort wollte die Mutter dann Handabdrücke mit Farbe machen und wir haben unglaublich viele davon produziert für Familie und Freunde. Der ganze Raum und unser Auto waren voll – das war so etwas Wunderbares. Wenn ich die Frage nach dem 3D-Druck nicht gestellt hätte, wäre sie gar nicht auf diese Idee gekommen.
Robert: In einem Fall ist es uns passiert, dass Maria dreimal nachgefragt hat, ob wir nicht doch Getränke mitbringen sollen. Und immer hieß es: „Nein, das brauchen wir nicht.“
Maria: Ich habe sogar am Morgen der Bestattung angerufen, um danach zu fragen. Später stehen wir am Grab und senken die Urne ab. Der Kunde schaut mich an und sagt: „Na, Maria, so wie ich dich kenne, hast du bestimmt doch was eingepackt?“ So war es leider nicht, aber das passiert mir nie wieder.
Man merkt, dass ihr euren Kunden sehr nah kommt.
Maria: Den professionellen Abstand, über den alle sprechen, wahre ich nicht bei Menschen, die gerade einen massiven Verlust erlebt haben. Das will ich nicht, das ist für mich Quatsch. Was die Leute brauchen, ist jemand, der versucht, zu verstehen und sie begleitet.
Ich habe vor kurzem mit einer Familie zusammen Asche verteilt, mitten in der Ostsee stehend. Ich sah mir das ganze Prozedere an, wie die Freunde alle mit so einer Selbstverständlichkeit die Asche aus der Urne genommen und verstreut haben. Mit Tränen in den Augen habe ich ihnen gesagt, dass sie gerade Geschichte schreiben. Es war etwas so Normales und Natürliches und gleichzeitig Intimes. Wenn ich gerührt bin, bin ich gerührt und wenn ich etwas Schreckliches höre und die Leute mir gegenübersitzen und weinen, dann weine ich im Zweifelsfall auch mit.
Aber ich übertrage meine Idee von Emotionen nicht auf die Kunden. Wenn ich das Gefühl habe, jetzt müsste die Frau doch traurig sein, schaue ich sie nicht traurig an, denn ich weiß nicht, wie es ihr gerade geht. Ich begrüße jeden Menschen erstmal mit einem Lächeln und dann sehen wir weiter.
Ich dachte, dass Weinen für einen Bestatter vielleicht ein No-Go ist.
Robert: Es geht uns nah, weil wir als Menschen eine emotionale Verbindung zu anderen Menschen haben. Aber das darf nicht dazu führen, dass die Angehörigen sich dazu genötigt fühlen, mich zu trösten. Sonst würden sie weggehen von ihrer eigenen Trauer, von ihrem eigenen Verarbeitungsprozess. Wir können mitweinen, aber die Rollen dürfen nicht switchen. Es ist schließlich nicht unser Verlust.
Bei Kindern wiederum tritt oft der Fall ein, dass sie sich so stark zurücknehmen, dass viele denken, die Kleinen hätten es gut verkraftet. Dabei merken sie, dass ihre Eltern traurig sind und wollen ihnen deshalb nicht noch mehr Leid zufügen. Dadurch vernachlässigen Kinder unbewusst ihren eigenen Trauerprozess. Deshalb muss man bei ihnen besonders gut hinschauen.