Der Tod betrifft uns alle – und doch vermeiden wir es oft, über ihn zu sprechen. Er schwebt im Raum, wird umgangen, mit Floskeln entschärft: „Er ist von uns gegangen“, „Sie ist eingeschlafen“. Wir haben Angst, ihn direkt zu benennen, als könnten wir ihn dadurch fernhalten.
Aber was passiert, wenn wir es doch tun? Wenn wir über den Tod sprechen, wie wir über das Leben sprechen?
Genau hier setzt die Bewegung „Let’s Talk About Death“ an: Menschen treffen sich – in Cafés, an Stammtischen oder in digitalen Räumen – um über den Tod zu reden. Ohne Tabus, ohne Angst.
- Wie möchte ich einmal sterben?
- Welche Erfahrungen habe ich mit dem Tod gemacht?
- Was kommt danach – und spielt das überhaupt eine Rolle?
- Warum fällt es uns so schwer, Abschied zu nehmen?
- Was möchte ich hinterlassen?
Diese Gespräche sind nicht deprimierend. Sie können tiefgründig, tröstend, manchmal sogar humorvoll sein. Sie helfen, Ängste abzubauen und eine neue Sicht auf das Leben zu gewinnen.
Warum wir über den Tod sprechen sollten
1. Weil es uns alle betrifft
Egal, welche Kultur, welches Alter, welche Lebenssituation – der Tod gehört zum Menschsein dazu. Und doch tun wir oft so, als ginge er uns nichts an.
Doch das Vermeiden macht ihn nicht weniger real. Im Gegenteil: Wenn wir nicht darüber sprechen, trifft er uns umso härter, wenn er da ist.
2. Weil Schweigen die Angst vergrößert
Viele Menschen haben Angst vor dem Tod – aber was genau macht Angst?
- Das Unbekannte?
- Der Schmerz?
- Das Abschiednehmen?
- Das Zurücklassen von Menschen, die uns lieben?
Wenn wir über den Tod sprechen, holen wir ihn aus der dunklen Ecke der Ungewissheit. Und oft merken wir: Das, was wir fürchteten, verliert seinen Schrecken, wenn wir es in Worte fassen.
3. Weil wir uns selbst besser verstehen
Unsere Einstellung zum Tod sagt viel darüber aus, wie wir leben.
- Verdrängen wir ihn? Leben wir dann wirklich bewusst?
- Haben wir Angst vor ihm? Oder Angst davor, nicht gelebt zu haben?
- Welche Werte sind uns wichtig, wenn wir gehen?
Das Gespräch über den Tod ist eigentlich ein Gespräch über das Leben.
4. Weil es Trost spendet
Wer einen geliebten Menschen verloren hat, weiß, wie einsam Trauer sein kann. Viele fühlen sich mit ihren Gedanken und Gefühlen allein, weil der Tod nicht „gesellschaftsfähig“ ist.
Aber wenn Menschen offen über ihre Verluste sprechen, spüren wir: Wir sind nicht allein. Jeder hat Geschichten über Abschied, Verlust, Erinnerungen – und das verbindet.
5. Weil wir unser eigenes Sterben vorbereiten können
Keiner spricht gern über die eigene Sterblichkeit. Aber wer es tut, kann selbstbestimmter entscheiden:
- Wie möchte ich gepflegt werden?
- Was soll mit meinen Besitztümern geschehen?
- Möchte ich eine Patientenverfügung?
- Soll meine Beerdigung eine Feier werden oder eine stille Zeremonie?
Offen über den Tod zu sprechen bedeutet, Verantwortung für unser Ende zu übernehmen – und es den Hinterbliebenen leichter zu machen.
„Let’s Talk About Death“ – Wo und wie?
Es gibt immer mehr Initiativen, die Menschen zusammenbringen, um sich über den Tod auszutauschen.
1. Death Cafés: Kaffee, Kuchen und Endlichkeit
Ein „Death Café“ ist kein Trauercafé. Es ist ein offenes Treffen, bei dem Menschen – egal welchen Alters – in entspannter Atmosphäre über den Tod sprechen können.
Kein festes Programm, keine Expertenvorträge. Nur Menschen, die sich bei Kaffee und Kuchen zusammensetzen und reden. Jeder kann seine Gedanken teilen oder einfach nur zuhören.
Die Idee kommt aus England und verbreitet sich weltweit.
Typische Themen in einem Death Café:
- Welche Erlebnisse habe ich mit dem Tod gemacht?
- Was macht mir am meisten Angst?
- Gibt es ein „gutes Sterben“?
- Wie will ich in Erinnerung bleiben?
Der ungezwungene Rahmen nimmt dem Thema die Schwere – und oft wird auch gelacht.
2. Stammtische über den Tod – Gemeinsam statt einsam
Wie bereits erwähnt, bieten viele Städte mittlerweile Stammtische zu Themen wie „Letzte Hilfe“ oder „Sterben und Leben“. In geselliger Runde kann jeder Fragen stellen und Erfahrungen teilen.
Ein solcher Stammtisch kann sich um bestimmte Themen drehen:
- Bestattungsformen weltweit: Wie wird in anderen Kulturen mit dem Tod umgegangen?
- Musik für die letzte Reise: Welche Lieder sollen auf meiner Beerdigung gespielt werden?
- Sterbebegleitung: Wie kann ich für andere da sein?
Diese Abende sind eine Einladung, das Unaussprechliche gemeinsam auszusprechen.
Sie finden in öffentlichen oder auch in privaten Räumen statt.
Ich selbst habe öfter den Wiesadener Stammtisch „Let’s Talk About Death“ besucht, der 2016 gegründet wurde, und ich kann es jedem nur empfehlen, den Austausch in einer Gruppe zu suchen. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, bewegende und faszinierenden Geschichten gehört und so viel mitgenommen für mich und mein eigenes Death Cleaning.
Bei meinem Stammtisch wurde jede Woche ein bestimmtes Thema besprochen. Entweder hat eine Person etwas mitgebracht, das sie gerade bewegt oder wir haben ein Thema ausgelost. Todesangst, Sterbebegleitung, Musik und Tod, philosophische Ansichten. Alles findet seinen Platz. Die Gespräche waren auf jeden Fall immer wertvoll!
3. Digitale Räume – Der Tod im Internet
Auch online gibt es immer mehr Plattformen, die den offenen Austausch über den Tod ermöglichen.
- In Facebook-Gruppen sprechen Trauernde über ihre Verluste.
- In Podcasts erzählen Menschen von ihren Erfahrungen mit Sterben, Tod und Trauer.
- Auf Instagram & TikTok gibt es „Deathfluencer“, die das Thema auf verständliche und humorvolle Weise behandeln.
Dazu zählt natürlich auch Mein letzter Koffer. Wir sind ja DeathCleanFluencer, eine Mischung aus DeathFluencer und CleanFluencer und verreinen alles mit dem Thema Death Cleaning.
Es gibt auch imme rmehr Online-Angebote zum Thema Vorsorge und Sterben.
Empfehlen kann ich aus eigener Erfahrung die Akademie Regenbogenland. Hier gibt es wechselnde Online-Seminare von Experten in wertschätzender Runde.
Mein Hospizverein Auxilium bietet die Reihe „Hospiz im Dialog“ an. Dort gibt es einmal im Monat spannende Themen, oft auch digital. Außerdme wir der jährliche Wiesbadener Hospiztag per Live-Stream für viele zugänglich, er findet immer im März statt.
Das Internet bietet also eine Plattform für alle, die über den Tod sprechen wollen, aber vielleicht (noch) nicht den Mut haben, es im echten Leben zu tun.
4. Messen
Wer sich offen, respektvoll und auch kreativ mit dem Lebensende auseinandersetzen möchte, findet auf der Messe LEBEN UND TOD den passenden Raum dafür. Die Veranstaltung findet jährlich in Bremen und Freiburg statt und verbindet Messe, Fachkongress und Kulturprogramm.
Ziel ist es, Tod, Trauer, Sterben und Vorsorge aus der Tabuzone zu holen. Neben Vorträgen und Workshops zu Trauerbegleitung, Palliativversorgung oder spiritueller Vorsorge präsentieren über 140 Aussteller:innen Produkte und Dienstleistungen – von Bestattungsvorsorge bis Erinnerungskultur. Auch der kreative Zugang kommt nicht zu kurz: Musik, Lesungen uvm. bieten emotionale wie humorvolle Zugänge zum Thema.
Hier unser Messebericht aus 2024.
Egal ob Angehörige, Fachkräfte oder einfach nur Interessierte – hier kommen Menschen ins Gespräch.
Was passiert, wenn wir anfangen zu reden?
Menschen, die sich mit dem Tod auseinandersetzen, berichten oft von positiven Veränderungen:
- Mehr Wertschätzung für das Leben. Der Tod erinnert uns daran, dass unsere Zeit begrenzt ist – und wir sie nutzen sollten.
- Weniger Angst vor dem Unausweichlichen. Wer über den Tod spricht, macht ihn weniger bedrohlich.
- Mehr Verbindung zu anderen Menschen. Die Gespräche über den Tod sind Gespräche über das Leben – oft tiefgehend, ehrlich und mit echtem Austausch.
- Mehr Selbstbestimmung. Wer über seinen eigenen Tod nachdenkt, kann entscheiden, wie er sterben möchte – und seinen Liebsten schwere Entscheidungen abnehmen.
Fazit: Der Tod gehört an den Tisch – nicht in die dunkle Ecke
Wir leben in einer Zeit, in der es für fast alles einen offenen Diskurs gibt – aber der Tod bleibt oft das letzte Tabu.
Doch je mehr wir über ihn sprechen, desto mehr verstehen wir: Er ist nicht das Ende von allem. Er ist ein Teil des Lebens.
Und wenn wir lernen, über ihn zu sprechen, können wir vielleicht auch lernen, bewusster zu leben.